Skip to main content
ASVÖ Blog
Was uns im ASVÖ bewegt:

Brauchen Sportler*innen zusätzliches Eiweiß?

23. Juni 2022
ASVÖ
Anna Lena Aufschnaiter
Anna Lena Aufschnaiter ist Diätologin und arbeitet unter anderem bei der Österreichischen Gesellschaft für Sporternährung (ÖGSE).

Was ist dran am Hype ums Protein?

Proteine sind wichtige biochemische Funktionsträger im menschlichen Körper. Ca. 15% des Körpers bestehen aus Protein, wovon sich wiederum rund die Hälfte in der Skelettmuskulatur befindet. Wer jedoch bei dem Wort Protein nur an Kraftsportler*innen und Muskelaufbau denkt, hat andere wesentliche Funktionen der Proteine außer Acht gelassen. Sie kommen im Körper als Enzyme vor, als Transporter im Blut und als Keratin in Haut, Haaren und Nägeln.

Eine Frau ißt eine Schüssel mit proteinreichem Essen

In den letzten Jahren ist in der Lebensmittelindustrie ein regelrechter Proteinhype ausgebrochen und zahlreiche Hersteller drängen mit Produkten mit erhöhtem Eiweißgehalt auf den Markt. Vor allem in der Sporternährung spielen Proteine eine massive Rolle. Doch was hat es mit diesen Produkten auf sich? Brauchen wir sie überhaupt? Und wenn ja, wer profitiert davon?

Ein Glas natürliches Joghurt auf einem Holztisch

Was bedeutet überhaupt „eiweißreich“?

Laut der Health-Claims-Verordnung darf ein Produkt als „Proteinquelle“ bezeichnet werden, wenn 12% des Brennwerts auf Proteine entfallen. Als Produkt mit einem „hohen Proteingehalt“ darf es wiederum gekennzeichnet werden, wenn mindestens 20% der Energie aus Eiweiß bestehen. So wird sichergestellt, dass Verbraucher und Verbraucherinnen nicht getäuscht werden.

Braucht es dieses Mehr an Eiweiß?

In den allermeisten Fällen sind Spezialprodukte wie Riegel, Shakes oder eben Lebensmittel mit Proteinzusätzen nicht notwendig, denn der Eiweißbedarf lässt sich in unseren Breitengraden ohne weiteres mit herkömmlichen Lebensmitteln decken. Auch bei Athletinnen und Athleten ist dies grundsätzlich möglich, da ein erhöhter Proteinbedarf bei einer sportlichen Aktivität erst ab ca. fünf Stunden pro Woche besteht, danach sollte die Proteinzufuhr, je nach Sportart, Intensität und Ziel, nach oben geschraubt werden.

Ein besonderes Augenmerk sollte auf Personen gelegt werden, die sich vegan ernähren und außerdem einen gesteigerten Proteinbedarf haben. Hier muss noch exakter auf die Auswahl der Eiweißquellen und deren Zusammenstellung geachtet werden. Auch Jugendliche und Personen ab 65 Jahren haben beispielsweise einen Mehrbedarf an Eiweiß, der sich jedoch genauso mit natürlichen Lebensmitteln decken lässt.

Es müssen zudem noch weitere Aspekte bei den genannten Spezialprodukten beachtet werden. Zum einen werden diese meist unter großem Energieaufwand industriell hergestellt und haben folglich mit einem natürlichen Lebensmittel nur mehr wenig zu tun. Daraus resultiert zum anderen, dass sich in diesen Produkten oftmals zahlreiche Zusatzstoffe oder auch Zucker wiederfinden, damit diese in ihrer Konsistenz und aber auch geschmacklich akzeptiert werden. Gerade Eiweißriegel enthalten neben dem versprochenen Eiweiß häufig große Mengen an Zucker. In Eiweißpulvern hingegen sind es oftmals künstliche Süßstoffe, die hinzugefügt werden.

Ein weiterer Punkt sind die Kosten für diese Produkte. Verglichen mit herkömmlichen, natürlichen Alternativen sind die Eiweißprodukte durch die Bank um ein Vielfaches kostspieliger. Eine Daseinsberechtigung haben sie dennoch: besteht im Training, im Ausland oder in sonstigen speziellen Situationen nicht die Möglichkeit, zu kochen oder anderwärtig passende Mahlzeichen zuzubereiten, bieten diese Produkte eine einfache und zuverlässige Lösung für dieses Problem.

Verschiedene Eiweißquellen wie Fisch, Eier, Käse und vieles mehr

Eiweißquellen im Check

In unseren Supermärkten stehen zahllose, hochwertige Eiweißquellen zur Verfügung, mit denen der tägliche Bedarf gedeckt werden kann. So sind beispielsweise 10g Eiweiß enthalten in:

  • 100g fettarmer Topfen
  • 100g Skyr
  • 200g fettarmes Joghurt
  • 40g Gouda
  • einem großen Hühnerei
  • 50g rohes Hühnerfleisch
  • 50g roher Fisch
  • 100g Tofu natur
  • 150g gekochte Linsen/Kichererbsen/Bohnen
  • 80g Sojabohnen (tiefgekühlt)
  • 130g Roggenvollkornbrot
  • 80g roher Quinoa
  • ½ kg gekochte Kartoffeln

Ziehen wir also als Beispiel eine sportlich aktive Person mit 70kg heran, so liegt ihr täglicher Eiweißbedarf bei ca. 70g. Durch die obenstehende Auflistung wird deutlich, dass die Deckung der Eiweißmenge auch mit natürlichen Lebensmitteln leicht möglich ist. Dabei wird oftmals vergessen, dass auch Getreideprodukte und daraus hergestellte Lebensmittel wie Brot oder Nudeln ebenfalls Eiweiß enthalten und in diese Kalkulation miteinbezogen werden müssen. Auch wenn tierische Lebensmittel tendenziell leichter für den Körper zu verwerten sind als jene pflanzlichen Ursprungs, kann durch die Kombination unterschiedlicher Eiweißquellen die Verwertbarkeit angehoben werden. So wird z.B. eine Mahlzeit aus Kartoffeln, Linsen und etwas Käse zur optimalen Eiweiß-Kombination, wie wir sie übrigens auch aus vielen anderen Kulturen kennen.

Eine Schüssel voller gelber Bohnen

Pflanzlich versus tierisch

In Zeiten des Klimawandels werden auch Sportlerinnen und Sportler mit dem Thema Nachhaltigkeit in ihrer Ernährung konfrontiert. Dass tierische Produkte grundsätzlich einen höheren CO2-Abdruck hinterlassen, ist klar belegt. Als klassische Beispiel dienen hier die Sojabohne und das Rindfleisch, die häufig in der Kritik stehen, für die Umwelt aufgrund ihres CO2-Verbrauchs schädlich zu sein: Vergleicht man die eiweißreiche Hülsenfrucht mit einem „klimaschonend“ erzeugten Rindfleisch, braucht Zweiteres bei der gleichen Menge Eiweiß dennoch die 50-fache Fläche und emittiert das Sechsfache an klimaschädlichen Gasen, wie eben CO2.

In Anbetracht dieser Umweltaspekte sollten Proteinquellen grundsätzlich sorgfältig gewählt werden. Natürliche und hochwertige Eiweißquellen sind in unseren Breiten überall verfügbar und können den Bedarf von Sportlerinnen und Sportlern optimal decken. Ist dies einmal aufgrund von Ausnahmesituationen wie z.B. Auslandsaufenthalten nicht möglich, kann natürlich auf Spezialprodukte zurückgegriffen werden, sofern sie im Vorhinein individuell auf Verträglichkeit getestet wurden.