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Buch-Tipp: AN-TIN-JI

02. April 2022
Mag.a Isabelle Zekely, MSc
Egon Theiner
geboren 1968 in Bozen, Südtirol, ist Sportjournalist, Buchautor und Verleger. 2004 gründete er den egoth Verlag mit Sitz in Wien.

Buch-Tipp: AN-TIN-JI, der Skispringer und seine Liebe

von Walter Hofer, erschienen im egoth Verlag

Der ehemalige FIS-Renndirektor für Skispringen hat ein Buch geschrieben – überraschenderweise ist es keine (Auto-)Biografie sondern viel mehr als das.

Cover AB-TIN-JI

Zwei Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen treffen sich im Spannungsfeld zwischen Leistungssport und Hochtechnologie… Eine Liebesgeschichte – und dennoch viel mehr als das. Ein Sachbuch – und dennoch viel mehr als das.

Literarisch-verspielt beschreibt Walter Hofer die Entstehung einer zwischenmenschlichen Beziehung zweier Personen, die aus verschiedenen Kulturkreisen stammen und die zudem, logischerweise, ihre eigenen, besonderen Geschichten mitbringen. Dabei lässt er einfließen, was sich so alles getan hat in diesem Sport und beantwortet somit Fragen, die immer wieder gestellt werden…

Konträre Welten

Michal ist Skispringer und An-Tin-Ji, geboren in Peking, seit ihrem zweiten Lebensjahr erblindet, studiert dank eines Stipendiums an einer Technischen Universität in München. Sie beschäftigt sich damit, Daten verschiedenster Skispringer zu verarbeiten, um deren Technik zu verbessern.

Michal ist nach einem Unfall gezwungen, eine Pause einzulegen. Nach ein paar Tagen der Schonung beginnt er mit dem Aufbautraining. Die Trainer sind zufrieden, jedoch seine Anfahrtsposition stimmt noch nicht. „Du musst noch tiefer sitzen.“ Doch diese Korrekturen durch seine Trainer stimmen nicht mit seinem inneren Gefühl überein. An-Tin-Ji und Michal lernen sich kennen…

Die erste Anfahrt in Richtung Liebe?

Aufgrund von An-Tin-Jis Erblindung, aber auch dank ihrer überdurchschnittlichen Intelligenz, hat sie außergewöhnliche Fähigkeiten entwickelt. Ein spezielles Navigationssystem für Blinde erlaubt ihr ein nahezu eigenständiges Bewegen, zu einem hohen Prozentsatz sogar ohne personelle Unterstützung. Sie ist spezialisiert auf digitale Datenverarbeitung mit Hilfe von Blindenschrift.

Eine polnische Kommilitonin animiert An-Tin-Ji zu einem Ausflug nach Oberstdorf. Dort finden in Kürze die Olympischen Winterspiele statt, auch Michal wird dort sein und nach seiner längeren Pause wieder für sein Land antreten. Sie willigt ein und freut sich einfach auf ein wenig mehr Bewegung und Abwechslung.

An der Skisprunganlage in Oberstdorf nähern sich die beiden Frauen direkt dem Schanzentisch. Die Infrastruktur ist optimal. An der Anlage gibt es eine einzigartige Plattform für Besucher: Die Skispringer rasen daran in unmittelbarer Nähe mit hoher Geschwindigkeit vorbei zur Absprung-Kante. Ohne Vorinformation hat An-Tin-Ji bei der Anfahrt eines Skispringers ein dramatisches Erlebnis. Das scheinbar direkt auf sie zu- und rasch näherkommende laute Geräusch empfindet sie als extreme Bedrohung. Plötzliche Stille. Was war das?

Erschrocken versucht sie, die Situation zu verstehen. Resonanz, Rasanz, Vibration und Lautstärke erzeugen in ihr ein nie zuvor erlebtes Farbspektrum in einem nie erlebten Frequenzbereich. Irritierend und spannend zugleich. Die erste Anfahrt in Richtung Liebe?

Walter Hofer liest in seinem Buch

Erstlingswerk von Walter Hofer

Walter Hofer war von 1992 bis 2020 FIS-Renndirektor für Skispringen und ist jener Mann, der die internationale Skisprung-Szene in den letzten 30 Jahren nachhaltig geprägt hat. Hofer, der kein ehemaliger Athlet ist, sondern Fußballer in seiner Heimatgemeinde Seeboden, Masseur und Konditionstrainer im Österreichischen Skiverband und Co-Trainer der deutschen Nationalmannschaft war, hat es geschafft aus der Randsportart Skispringen einen Quotenbringer und Geldgrube zu machen. Dennoch war und ist er sich seiner Außenseiterrolle bewusst. So hat ihn diese auch Inspiration für sein Erstlingswerk, gleichermaßen Roman, Sachbuch und philosophische Abhandlung geliefert.

Cover vom Buch

Einblicke in die (neue) Welt der Olympischen Spiele

Athlet*innen und Zuschauer*innen sind die teuersten Faktoren bei Olympischen Spielen. An beiden wird von den Organisatoren und dem IOC seit Jahren gespart. Olympia-Quoten bestimmen jetzt die Anzahl von Sportler*innen. Eine zunehmende Inszenierung der Wettkämpfe als Liveshows geht zulasten der Zuschauerplätze vor Ort. In einer publikumsträchtigen Disziplin wie dem Skispringen werden von vornherein nicht mehr als 6.000 Zuschauerplätze geplant. Parallel dazu gibt es eine Explosion von Wettkampf-Formaten, die den sportlichen und den individuellen Wert einer Olympiamedaille vermindern, während die Hauptdarsteller gar keine Möglichkeit mehr haben, die Spiele außerhalb ihrer Eigenen Disziplin überhaupt zu erleben.

Nicht einmal im Athletendorf gibt es einen Austausch. In Calgary 1988 war es das letzte Mal, dass ein Skispringer die Chance hatte, mit Katarina Witt zu frühstücken. Heute wird disziplinspezifisch kaserniert.

Und bei Michal und An-Tin-Ji? Sie darf nicht hinein, er darf nicht hinaus!

„Subsystem Skispringen“

AN-TIN-JI ist ein Buch, das auf besonders charmante Art Einblick gibt in die „Bubble Skispringen“. Die Protagonistin kommt nicht aus diesem System, muss sich ihren Weg darin erst machen. Das ist übrigens eine Parallele zum Autor, der auch nie selbst aktiver Springer war. So werden Fragen beantwortet, die sich Interessierte dieser Sportart wohl schon lange gestellt haben – aber werden auch An-Tin-Ji und ihre große Liebe zueinander finden?

Egon Theiner, geboren 1968 in Bozen, Südtirol, ist Sportjournalist, Buchautor und Verleger. 2004 gründete er den egoth Verlag mit Sitz in Wien.