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Buch-Tipp: Trail and Error –Der Weg ist nicht das Ziel

07. Juli 2022
Mag.a Isabelle Zekely, MSc
Egon Theiner
geboren 1968 in Bozen, Südtirol, ist Sportjournalist, Buchautor und Verleger. 2004 gründete er den egoth Verlag mit Sitz in Wien.

Buch-Tipp: Trail and Error – Der Weg ist nicht das Ziel von Ultratrailläuferin Annabel Müller

Annabel nimmt dich mit auf eine Reise durch Regen, Hagel, Donner und Blitze, dunkle Nächte, Schlafmangel und Halluzinationen… …und einem Geheimnis, dessen sie sich zu Beginn dieses Abenteuers nicht bewusst war.

Annabel steht auf dem Col de Malatra

Wieviel ist eigentlich genug?

Der Weg ist das Ziel. Oder vielleicht sogar: Eine gute Reise hat kein Ziel, und man muss nirgendwo ankommen. Wenn als Hintergrund dazu nicht gerade eine Boeing 737 in den Sonnenuntergang fliegt, leuchtet der Gedanke ein. Doch ist er auch zutreffend? Und gilt er auch für unsere Lebensreise?

Der Weg eines Ultratrails ist lang. Beim „Tor des Géants“ gilt es, 349 Kilometer und 30.879 Höhenmeter zu laufen – am Stück, in maximal 150 Stunden. Die Strecke führt über 25 Bergpässe, bis auf eine Höhe von 3.299 Meter. Das Rennen zählt damit zu den längsten und härtesten Ultratrails der Welt.

Die 10. Jubiläumsausgabe, der TORX, stellt die Läufer*innen auf eine besonders harte Probe: ein Wintereinbruch Anfang September, gefolgt von gnadenloser Hitze. Mittendrin Annabel Müller. Ihr Ziel ist der legendäre TOR-Bogen in Courmayeur. Die Frage ist nicht nur, ob sie es schafft, sondern auch wohin dieser Weg sie führt. Denn sie muss sich auch ihren Träumen und ihren Schatten stellen.

Annabel Müller bei einem ihrer vielen Vorträge

Der TOR ist wie dieses Buch – mehr als ein Laufabenteuer.

Annabel Müller stammt gebürtig aus München, lebt seit 2018 in Füssen, ist Speaker, ausgebildeter Coach sowie leidenschaftliche Ultratrail-Läuferin. Als solche kombiniert sie seit 2015 die Erfahrungen des Ultratrail Laufens, mit ihrem Wissen aus Management & Coaching und spricht über Mut, Ausdauer und Entscheidungskompetenz. Nicht erst auf ihrem bisher längsten und härtesten Ultratrail, dem Tor des Géants, hatte sie das Gefühl, dass dieser Trias etwas Elementares fehlt.

Mut, Ausdauer und Entscheidungskompetenz sind die drei Eckpfeiler, um die es in ihren Vorträgen geht. Letzteres weil der Wille und ein eisernes Durchhaltevermögen allein oft nicht ausreichen, um an sein Ziel zu gelangen. Begrenzung ist auch eine wichtige Eigenschaft für Erfolg. Begrenzung verlangt, sich stellenweise von liebgewordenen Ideen zu trennen, somit gehört auch das Loslassenkönnen zu einem wichtigen Erfolgsfaktor.

Eine fröhliche Annabell vor einem dunklen Hintergrund

Wie bei Germany’s Next Topmodel?

Ich lege schon Wert auf mein Äußeres und bin in manchen Dingen durchaus eitel. Beim Sport kann ich es jedoch wenig nachvollziehen, wenn Sprinterinnen stärker geschminkt sind als die Kandidatinnen bei „Germany’s Next Topmodel“. Vielleicht ist die Antwort auf meine Frage, warum sich Sprinterinnen für ein Rennen derartig anmalen, die gleiche wie die auf die Frage, die mir am Berg öfter begegnet. „Warum rennt die Frau?“, fragte ein etwa fünfjähriger Knirps seine Mama, als ich vom Herzogstand runter zum Walchensee lief, nur um unten angekommen den gleichen Weg wieder hinaufzulaufen. „Weil sie es kann“, meinte seine Mutter. Eine Antwort, die mir gefiel. Weil sie es können. Offensichtlich hat Mascara im Auge auf Sprintdistanzen noch nie für Leistungseinbußen oder Zeitverlust gesorgt. Beim Ultratrail-Laufen ist das anders. Da müsste das Make-up mehrere Tage und Nächte lang Schweiß, Wind, Regen und Kurzübernachtungen in Feldbetten überstehen.

Wie viel Mut bedarf es sechs Tage und sechs Nächte teils ganz alleine durch die Alpen zu laufen? Nicht viele Frauen stellen sich der Herausforderung eines Ultratrails. Annabell Müller ist eine von ihnen. Mut, so sagt sie, ist nicht die Abwesenheit von Angst. Es ist die Abkürzung für Motivation und Trittsicherheit.

Eine Gruppe von Teilnehmern am Trail Race

Der Lauf für Masochisten

Und während der Western States auf RedBull.com eben als „das härteste Ultra Trail Race der Welt“ bezeichnet wird, ist der Tor des Géants dort als „der Lauf für Masochisten“ gelistet. Das sehe ich anders, doch eines ist Fakt: Der TOR bietet durch seine enorme Distanz und die Streckenprofilierung bei einem Zeitlimit von 150 Stunden deutlich mehr Zeit zum Kampf mit den äußeren Anforderungen und dem inneren Schweinehund…

„Man stelle sich frostkalte Temperaturen vor, mit Böen, die einen vom Berg drücken wollen, Regen, Graupel, Hagel, Donner, Blitze und lange, dunkle Nächte. Dann der Schlafmangel und die Halluzinationen. Auf der Habenseite? Man erlebt Sonnenaufgänge, sternenfunkelnde Nächte, Begeisterung, Zorn, Angst, Trostlosigkeit und Freude“ (RedBull.com)

„Wenn ich von mir auf andere schließen würde, ist der TOR aber keineswegs ein Lauf für Masochisten, sondern einer für Optimisten.“

Bei all den Hindernissen, die dieses Laufabenteuer also für Annabel bereit hält, ist ihr Motto “Dranbleiben” Fluch und Segen zugleich – Aufgeben aber keine Option.