Frauen im sportlichen Fokus. Im Porträt: Seglerin, Skipperin und Gründungsmitglied Veronika Siegl
„Infiziert vom Regattavirus“
Auch nach 40 Jahren Segeln hat die Faszination am Wassersport für Veronika Siegl nicht abgenommen – ganz im Gegenteil: Die Freude an Törns und Regatten ist ihr ständiger Begleiter. Die Mitgründerin des einzigen ASVÖ-Frauensegelvereins – Blue Water Womens Challenge (BWWC) – lebt Frauenpower am Wasser.
„Fahrtenbuch“ einer Segelkarriere
Begonnen hat die sportliche Laufbahn allerdings in ganz anderen Bahnen: Als Sportschützin war die damals 18-Jährige in Vorarlberg aktiv. Aufgrund ihrer beruflichen Ausbildung zur biomedizinischen Analytikerin zog die gebürtige Vorarlbergerin in die Steiermark und verstärkte dort die Damen-Schützen-Crew. Nach acht spannenden Jahren und mehreren Staatsmeistertiteln, in Einzel- und Frauen-Mannschaften, Teilnahmen an EMs und einer WM, war die Zeit reif für etwas Neues.
Durch Zufall kam die Sportlerin aufs Segeln: „Mein erster Törn – total ahnungslos, was mich da erwarten wird – war ein absolutes Erfolgserlebnis. Alles hat gepasst: Das Wetter war traumhaft, der Skipper hat mit Begeisterung alles erklärt, für mich die Fachbegriffe übersetzt, und ich wusste sofort: Urlaub am Meer findet für mich nur noch auf einem Boot statt. Aber ich wollte das Segeln von Grund auf lernen. Es folgte ein Kurs zum A-Schein für Binnengewässer und im Winter darauf der Kurs für FB3 (internationaler Bootsführerschein bis 200 Seemeilen), mit theoretischer und praktischer Prüfung zum Befähigungsausweis für Schiffsführer*innen am Meer“, erzählt Siegl.
Leidenschaft für Wind und Wellen
Als Spätberufene über 30 war die Wissenschafterin, die in einem Zellkultur-Forschungslabor tätig ist, jede freie Minute segelnd unterwegs. So lernte sie ihren Mann (natürlich auch Segler und Skipper) kennen. Gemeinsam als Familie mit den beiden Töchtern, die schon in frühen Jahren im Optimisten-Boot Erfahrung sammeln konnten, verbrachten sie viele Urlaube auf dem Wasser. Ein Aufruf in der Yachtrevue im Jahr 1988 verursachte die „Infektion am unheilbaren Regattavirus“: Die Zeitschrift suchte eine österreichische Damencrew für den Murter Cup, mit rund 100 teilnehmenden Booten. Veronika Siegl bewarb sich, obwohl sie noch keine Regatta gefahren war. Unerwartet wurde sie aufgenommen und beschreibt ihr Glücksgefühl: „Regatten mit Frauencrews bringen Erfolgserlebnisse, als Crew effektiv zu sein, und wir konnten mit guten Platzierungen viel Anerkennung als Seglerinnen erlangen. Auch als Skipperin mit Frauen war es für mich ein Triumph“, erklärt die Powerfrau am Wasser. „Schiffsführerinnen waren damals in der Minderheit und es kam immer wieder die Frage nach einem männlichen Skipper auf.“
Gleichberechtigung auf hoher See
Ende der 1990er-Jahre nahm die „Sailswoman“, die sich auch beruflich im Arbeitskreis für Gleichberechtigung auf der Med Uni Graz engagierte, Kontakt mit Brigitte Bach und Ulrike Goldschmid auf. Die beiden Damen organisierten die Teilnahme der ersten österreichischen Frauencrew am Fastnet-Race – einer berühmten Regatta um den Fastnet Rock in Irland. Bach und Goldschmid hatten Probleme, hierzulande genug Seglerinnen zu finden. Und so entstand im Jahr 2000 mit Brigitte Bach als Präsidentin, Ulrike Goldschmid als Vize-und Schriftführerin und Veronika Siegl als Schatzmeisterin der ASVÖ Niederösterreich-Verein Blue Water Womens Challenge (BWWC). Ziel des Frauensegelvereins ist, ein Netzwerk für Regatten und Urlaubstörns mit Frauencrews aufzubauen.
„In mehr als 20 Jahren haben wir gemeinsam viel erreicht, zahlreiche engagierte und interessante Frauen motivieren können und langjährige Freundschaften aufgebaut. Auch die folgenden Präsidentinnen Traute, Evi, und Doris haben viel zum Erfolg von BWWC beigetragen, ebenso wie die Skipperinnen Andrea, Brigitte, Gabi, Birgit, unsere langjährige Trainerin Bettina und heute Hildegard – sowie seit letztem Jahr unser Neuzugang Maria. Aber unser aller Vorbild ist Rotraut – mit 80+ noch immer aktiv am Neusiedlersee. Zu guter Letzt: Ich bin als Schatzmeisterin noch immer aktiv“, zeigt sich die Weltenbummlerin vom BWWC begeistert.
Leinen los! für Frauenpower
Aber immer noch ist Segeln ein sehr von Männern dominierter Sport. „In der gesamten sportlicheren Segelszene, vor allem am Meer, liegt der weibliche Anteil nur etwa bei zehn Prozent“, gibt das BWWC-Gründungsmitglied zu bedenken. Die Gründe dafür sind vielfältig und bewegen sich von organisatorischem Aufwand bis hin zu finanziellen Mitteln. Gerade aus diesem Grund ist es unerlässlich, „Frauen Mut zu machen, mit dem Segeln anzufangen und sich untereinander besser zu vernetzten“.
Derzeit zählt der BWWC-Verein 90 segelbegeisterte Frauen, die Zahl der Mitglieder ist trotz Corona nicht zurückgegangen. Neben rund vier bis acht Regatten im Jahr (auf Binnengewässern und Meeren) werden auch gemeinsame Urlaubs- und Kulturtörns organisiert. In Graz und Wien finden regelmäßige Stammtische statt und seit über 15 Jahren ein BWWC-Wochenende am Neusiedler See, dort können die Damen mit eigenen Booten teilnehmen oder mitsegeln. Darüber hinaus neu dazugekommen: wöchentliches „Freitagssegeln“ im Sommer.
Sportliche To-do-Liste
Viele weitere Aktivitäten sind geplant. So wollen die BWWC-Seglerinnen die Kontakte zu Frauensegelvereinen in Slowenien, Kroatien, Deutschland und weiteren Nachbarländern ausbauen. Ganz oben auf dem Plan stehen außerdem mehr sportliche Wettfahrten auf heimischen Gewässern und mehrtägige Hochsee-Regatten. Dabei steht der Spirit des Segelns an vorderster Stelle: „Toleranz an Bord, mit unvorhergesehenen Ereignissen umzugehen, sich mit Wind und Wetter auseinanderzusetzen sowie sich mit der Technik des Segelns und auch der Jacht zu befassen. Schließlich sind Ausdauer und Konzentration, besonders bei Regatten, sehr hilfreich – und das können Frauen bestens“, betont Siegl.
Auf der Website des BWWC finden Sie unter Fahrtenbuch die Chronik der gemeinsamen Erlebnisse.
Wenn auch Sie Lust haben, Abenteuer auf dem Wasser mit dem ASVÖ Niederösterreich-Verein BWWC zu erleben, geht es hier zur Anmeldung.
Übrigens: Der BWWC hat im Jahr 2021 beim ASVÖ-Programm für Vereinsentwicklung, Fit für die Zukunft, teilgenommen und so erfolgreich frischen Schwung in den Verein gebracht.
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